Historie
In Kurzform die Langgeschichte
Fast einhundert Jahre, bevor Kolumbus Amerika entdeckte, haben in unserem Haus bereits Gastwirte ausgeschenkt und bewirtet. Die Anfänge der Weinschenke kann man bis ins Jahr 1395 zurückverfolgen. Heute handelt bereits die fünfte Generation nach der Auflage des Pachtvertrags aus dem Jahr 1847:
„Der Pächter hat den Reisenden und bei ihm einkehrenden Gästen gut zu begegnen, ihnen alle Willfährigkeit zu beweisen, für gute Speise und unverfälschtes Getränk, gute Betten und besonders für möglichste Reinlichkeit in allen Stücken zu sorgen.“
Und hier finden Sie die ganze Geschichte (als pdf zum Downloaden)
Aus einer Bemerkung in der Urkunde von 1395, dass hinrike angersteyne schon „vor unser tyd“ die Schenke besessen habe, geht deutlich hervor, dass der Gasthof in Hessen noch um einiges älter sein muss, was jedoch heute nicht nachzuweisen ist.
Urkundenbuch zu Geschichte der Herzöge von Braunschweig ud Lüneburg Ausspann in der Weinschenke
Nach einer Reihe wechselnder Besitzer unterstand dann die Schenke im 18. Jahrhundert der Fürstlichen Kammer zu Braunschweig. In einer Dorfbeschreibung des Ortes Hessen aus dem Jahre 1755 heißt es:
„Die Fürstliche Cammer hat hieselbst die so genandte Weinschenke, wobey 6 Morgen Land gehören… . Die Schenke gibt an das Amt 6ggr (Gutegroschen) 8d (Pfennige) Ackerzins, muß auch denen Brinksizern gleich ein Rauchhuhn entrichten und ½ Pf. Hede spinnen.“
Der älteste Pachtvertrag, den der heutige Besitzer Uwe Gütte aufbewahrt, stammt von 1847. Dieser Kontrakt wurde zwischen der „Herzoglichen Cammer, Direction der Domainen“ und dem Pächter Heinrich Wilhelm Colley geschlossen, der für 350 Taler Courant „die sogenannte Herschaftliche Weinschenke daselbst nebst der Gastwirtschafts- Krug- und Schank-Gerechtigkeit, dem Hofraum, Brunnen und sonstigen Zubehör“ pachtete. Besonders interessant ist dabei der Paragraph 4, der folgende Auflagen für den Pächter festschreibt:
„Der Pächter hat den Reisenden und bei ihm einkehrenden Gästen gut zu begegnen, ihnen alle Willfährigkeit zu beweisen, für gute Speise und unverfälschtes Getränk, gute Betten und besonders für möglichste Reinlichkeit in allen Stücken zu sorgen.“
Diese Forderung der „Herzoglichen Cammer“ ist bald so etwas wie das Markenzeichen der „Weinschenke“ geworden, besonders als die Familie Prüße am 26. Juni 1854 als Afterpächter in den Vertrag eintrat. Der Grund für die Weiterverpachtung dürfte im Ableben des Heinrich Wilhelm Colley liegen, denn seine Frau Regine wird als Witwe bezeichnet. Jakob Prüße aus Warberg tritt in den bereits erwähnten Vertrag aus dem Jahre 1847 ein, der 1853 prolongiert, also verlängert wurde.
Jakob Prüße, der Ur-Urgroßvater des heutigen Besitzers Uwe Gütte, musste damals den Colleyschen Erben ein Angeld von 200 Reichstalern zahlen und die vorhandenen Vorräte und Küchengeräte übernehmen. Die Auflistung gewährt uns einen guten Einblick in die Gastronomie des 19. Jahrhunderts.
An Vorräten übernimmt der Warberger „Bier, Branntwein, Wein, Rum, Hafer, Heu und Stroh“, wobei Heu und Hafer bestimmt nicht für die zweibeinigen Gäste bestimmt waren. Als Küchenutensilien werden aufgezählt: „Kessel, Blase, Platte, Anrichte, blecherne Ofentür und Bratofen.“ Für die ein Jahr zuvor errichtete Kegelbahn musste der neue Pächter noch einmal 25 Reichstaler berappen, wofür ihm „diese Bahn mit dem dazu gehörigen Kegeln, Kugeln, Lampen, pp“ abgetreten wurde.
Die Geschäfte müssen sich unter der Leitung des neuen Pächters gut entwickelt haben, denn am 25. Februar 1870 wird zwischen dem Vertreter der Herzoglichen Kammer, Graf Görtz-Wrisberg und dem Gastwirt Prüße ein Kaufvertrag geschlossen. Für 10700 Taler geht die „Weinschenke“ in Familienbesitz über.
Als Jacob Prüße 1877 stirbt, führt zunächst seine Witwe den Betrieb weiter. Ihr Sohn Franz wird gezielt auf die Übernahme des Geschäftes vorbereitet, denn er arbeitete zuvor in den „größten Hotels in Hannover und Berlin“, wie es in einer Würdigung zum 80. Geburtstag des Franz Prüße in der „Fallstein-Zeitung“ heißt. Dem Artikel der in Hessen erschienenen Zeitung ist auch zu entnehmen, dass der junge Mann technischen Neuerungen gegenüber sehr aufgeschlossen war.
Als Jacob Prüße 1877 stirbt, führt zunächst seine Witwe den Betrieb weiter. Ihr Sohn Franz wird gezielt auf die Übernahme des Geschäftes vorbereitet. Er arbeitete in den „größten Hotels in Hannover und Berlin“, wie es in einer Würdigung zum 80. Geburtstag des Franz Prüße in der „Fallstein-Zeitung“ heißt. Dem Artikel der in Hessen erschienenen Zeitung ist auch zu entnehmen, dass der junge Mann technischen Neuerungen gegenüber sehr aufgeschlossen war.
„Als erster im Lande Braunschweig erwarb er 1884 ein Hochrad und unternahm damit eine Wanderfahrt nach Hannover! Eine noch heute beachtenswerte sportliche Leistung! Franz Prüße war auch Gründer und Vorsitzender des Radfahrsportvereins von Hessen und Umgebung. Im Jahre 1904 fuhr er das erste Motorrad, zuerst ein englisches Modell aus der Fabrik ‚Paul Erbrecht’ aus Schöppenstedt. Im Jahre 1906 besaß Franz Prüße das erste Personenauto! Es wurde ‚Polymobil’ genannt und statt durch ein Lenkrad wie heute durch eine Lenkstange in die richtige Richtung bewegt. Daneben beschäftigte sich Franz Prüße auch mit dem Betrieb von Musikwerken. Somit hat Franz Prüße den Entwicklungsgang der mechanischen Musikinstrumente von Anfang an bis zum Schallplattenapparat mit gemacht. Zuerst gab es Spieluhren mit Stahlwalzen und Stahlplatten, danach pneumatische und elektrische sowie einfache Klaviere, dann Sprechapparate mit Walzen und Platten!“
Es scheint, als ob Franz Prüße bestrebt war, bei allen technischen Neuerungen die Nase vorn zu haben. Damit er stets auf der Höhe der Zeit war, besuchte er regelmäßig die Leipziger Messe. Insgesamt war er dort bis 1940 106mal in ununterbrochener Folge Gast, ein Rekord, dem ihm so leicht keiner streitig machen dürfte. 1915 eröffnete in der „Weinschenke“ auch ein Kino, das sich noch weit nach dem Zweiten Weltkrieg großer Beliebtheit erfreute. Gewürdigt wird in dem Artikel aus dem Jahre 1940 noch, dass Franz Prüße während der Kampfzeit der NSDAP sein Lokal zur Verfügung stellte. Mag sein, dass es der Wirt verwinden konnte, dass der Herzog Ernst August abgesetzt worden war, denn einmal im Jahr übernachtete in der „Schenke“ der Herzogliche Hofstaat, wenn er von Braunschweig in die Sommerresidenz Blankenburg übersiedelte.
Von Franz Prüße, der 1945 verstarb, übernahm seine Tochter Margarethe Gütte den Betrieb. Sie führte ihn durch die schwierige Nachkriegszeit, unterstützt von ihrem Sohn Erhard. 1954 war die „Weinschenke“ 100 Jahre im Familienbesitz, was natürlich gefeiert wurde. In einem Artikel der „Liberal-Demokratischen-Zeitung“ aus Anlaß des Jubiläums wird besonders die „Altdeutsche“ Bierstube hervorgehoben, die das Haus heute wieder Mittelpunkt aller kleinen und großen Veranstaltungen in Hessen“ wurde.
Aber gerade diese rustikale Bierstube hatte der Familie Gütte einen bösen Leserbrief eines gewissen P. Horn eingetragen, der im September 1951 unter der Überschrift „Die guten alten Zeiten“ folgendes bemängelt:
„Ja, das waren noch Zeiten, als der Herzog von Braunschweig in höchst eigener Person zur Jagd auf die herzoglichen Domänen geritten kam! Wenn die Jagdstrecke recht ergiebig und der hohe Herr gnädig gestimmt war, dann war er wohl auch einmal geneigt, nach alleruntertänigster Fürbitte einem gewöhnlichen Sterblichen mit seiner Huld und Gnade durch eine Schankerlaubnis auszuzeichnen.“
Ein Ölgemälde mit dem Urkundentext, dass der Herzog 1894 dem Wirt Prüße verliehen hat, ist die Zielscheibe des linientreuen Angriffs. Der Briefeschreiber, der den Namen des Wirts allerdings nicht lesen konnte und ihn mit Deußen statt Prüße wiedergibt, schließt mit folgendem Rat:
„Da es den Anschein hat, dass der Gastwirt Deußen sich durchaus nicht von seinem überlieferten „Schmuckstück“ trennen kann, machen wir ihm den Vorschlag, sich das herzogliche Dokument gnädigster Verleihung mottensicher einzupacken, damit es ihm zur eigenen Erbauung noch recht lange erhalten bleib. Die Einwohner von Hessen aber, die bei einem Glas Bier oder einem Skat Zerstreuung suchen, möchten an die „guten, alten Zeiten“ nicht mehr erinnert werden.“
Das „fehlende Klassenbewusstsein“ bei den Güttes mag wohl der Grund gewesen sein, dass die Urkunde noch viele Jahre zu sehen war, ebenso wie das altbraunschweigische Wappen am Giebel, das unser übereifriger Freund wohl nicht zu deuten wusste. Es behauptet übrigens noch heute seinen Platz.
Seit den fünfziger Jahren führt Erhard Gütte die „Weinschenke“. Dass er dies im Sinne des alten Pachtvertrages aus dem 14. Jahrhundert tut, beweist ein Dankschreiben aus dem Jahr 1954, in dem es heißt:
„Die schönste Kneipe weit und breit – ich kann sie nicht vergessen – das ist und zwar zu jeder Zeit die „Weinschenke“ in Hessen. Seit 100 Jahren gut betreut von der Familie Prüße steht auf der Höhe sie noch heut! Ihr gelten unsre Grüße.“
Zur Tausend-Jahr-Feier des Ortes im Jahr 1966 ist die „Weinschenke“ dann auch zentraler Ort gastronomischer Betreuung.
1989 dann kann Erhard Gütte hautnah die bewegenden Momente nach der Öffnung der Grenze miterleben, als das Lokal aus allen Nähten platzt. Unter stimmlicher Führung des damaligen Landrats von Wolfenbüttel, Ernst-Henning Jahn, singen Gäste diesseits und jenseits der bereits löchrigen Grenze: „So ein Tag, so wunderschön wie heute“.
Seit dem 1. Juli 1990 führt die Familie Gütte wieder allein in der „Weinschenke“ Regie, denn der Vertrag mit der Konsumgenossenschaft wurde gekündigt. Trotz aller Schwierigkeiten, die die Währungsunion mit sich bringt, blicken die Güttes hoffnungsvoll in die Zukunft. Mit Sohn Uwe steht ein Nachfolger bereit, der in bereits fünfter Generation den Familienbetrieb weiterführen wird.
Seit dem 1. Juli 1990 nun führt der Sohn Uwe Gütte die „Weinschenke“; anfangs zusammen mit seinem Vater, seit dessen Tod im Jahr 1994 eigenverantwortlich. Auch an der „Schenke“, wie sie die Hessener liebevoll nennen, ist die Zeit nicht spurlos vorübergegangen. Wollte sie ihre Gäste auch im neuen Jahrtausend mit der ihr eigenen Gastfreundschaft begrüßen und bewirten, musste sie sich verändern. Nicht radikal, sondern behutsam gingen wir dabei vor. Immer in dem Bewusstsein, ein ganz besonderes Gasthaus mit einer einmaligen Geschichte zu besitzen. Wer das alte Bild unseres Hauses sucht, muss nicht gleich die moderne Fassade entfernen. In den verschiedenen Gasträumen zeigen Fotos, wie sie dereinst ausgesehen hat.
Verändert also hat sich das Äußere. Geblieben ist ihre gemütliche Atmosphäre in den verschiedenen Räumen. Davon zeugt auch ein Artikel in der Braunschweigischen Zeitung aus dem Jahr 2002, in dem es heißt:
„Es gibt Restaurants, die sind allein wegen ihrer Sterne-Küche eine Reise wert. Und es gibt Gasthöfe, die zu empfehlen sind, wenn man ohnehin reist – oder aber einen Ausflug in die Umgebung plant. Zu diesen gehört die „Weinschenke“ in Hessen… .“
Wenn Sie sich nun selbst davon überzeugen möchten, dann darf ich Sie hiermit herzlich einladen. In die älteste Gaststätte Sachsen-Anhalts, die den „Reisenden und bei ihr einkehrenden Gästen gut zu begegnen, ihnen alle Willfährigkeit zu beweisen, für gute Speise und unverfälschtes Getränk, … und besonders für möglichste Reinlichkeit in allen Stücken zu sorgen hat.“ In die Gaststätte „Zur Weinschenke“ in Hessen.